Vor ein paar Jahren schon war ich Gast bei einem professionellen Betreiber einer Winterfütterung für Greife. Tolle Aufnahmebedingungen, schöne Landschaft, super Vögel. Nur leider eine ganz Ecke von meinem Zuhause in der Eifel entfernt. „Das kann ich auch“, dachte ich. Es stellte sich dann doch als nicht so einfach heraus. Da gab es dann Probleme mit dem Landwirt, dem das Grundstück gehörte, dann mit dem Jagdpächter. Aber schließlich war es so weit. Ein großer Vorteil meines aus Holz und Teppichresten gezimmerten Ansitzes besteht darin, daß er sich zwar unmittelbar am Waldrand, andererseits aber nur etwa 200 m von meiner Wohnung entfernt befindet. Natürlich macht man sich beim Bau des Ansitzes und der Anlage des Futterplatzes so seine Gedanken über die zu erwartenden Gäste. Neben Meisen, verschiedenen Finken und Amseln war auch der Buntspecht (Picoides major) fest eingeplant. Diese bei uns häufigste Spechtart lebt ja nicht nur in Wäldern aller Art, sondern auch in städtischen Parkanlagen und in größeren Gärten. Schon nach kurzer Zeit zählte der Buntspecht zu den regelmäßigen Gästen vor der Winterhütte, aus der heraus ich in einem Abstand von 3,5 bis 7 m meine Aufnahmen machte. Meist kündigte er sich mit einem lauten „Kikk“ an, bevor er dann im wellenförmigen Flug angesaust kam. Das Lieblingsfutter meiner in den letzten Wintern beobachteten und fotografierten Buntspechte ist ein aus Rindertalg und Haferflocken hergestelltes Fettgemisch, das landläufig als Meisenknödel bekannt ist. Haselnüsse werden recht wenig beachtet, Walnüsse geliebt und ein Weibchen des Buntspechts macht sich ab und zu die Mühe, die für Finken und Meisen ausgelegten Sonnenblumenkerne einzeln aufzuhämmern und den Inhalt zu verzehren. Besonders auffällig ist das sehr aggressive Verhalten der Buntspechte. Sind mehrere Exemplare in der Nähe, ist das Fotografieren oft nicht möglich, denn kaum fliegt ein Tier den Futterplatz an, wird es schon vom nächsten verjagt. Auch der Star (Sturnus vulgaris), die gleichgroße Amsel (Turdus merula) und selbst der kräftige Eichelhäher (Garrulus glandarius) müssen dem schwarz-weiss- roten Specht den Platz räumen. Ein ganz anderes Wesen offenbarte dagegen die zweite Spechtart, die sich an meiner Hütte einfand: der Grünspecht (Picus viridis). Vom – bei uns in den niederen Lagen der Eifel nur recht selten vorkommenden Grauspecht (Picus canus) – kann man ihn durch die vorhandene schwarze „Gesichtsmaske“ gut unterscheiden. Hinzu kommt, daß beim Grauspecht nur das Männchen eine rote Stirn hat. Beim Grünspecht dagegen sind Männchen und Weibchen vom Scheitel bis zum Nacken rot gefärbt.
Das Verhalten des Grünspechtes ist eher mit den Worten „ruhig“ und „unaufgeregt“ zu umschreiben. Dagegen ist der Buntspecht viel aggressiver. Für Fotos ist jedenfalls in aller Regel genügend Zeit, wenn der anfliegende Grünspecht den beim Ansitzen abgelenkten Fotografen überrascht. Meist bleibt der grüngefärbte Gast einige Minuten und läßt sich Zeit für eine ausgiebige Mahlzeit. So lassen sich ohne große Hektik eventuell nötige Kamera- oder Objektivwechsel vornehmen. Pickt eine vorwitzige Kohlmeise (Parus major) gleichzeitig vom Fettfutter, stört den Grünspecht dies meist überhaupt nicht, und bevor er sich auf einen Streit mit einem Star einläßt, zieht er sich doch besser für ein Weilchen zurück.
Zu meiner großen Freude sucht mit dem – bei uns ebenfalls eher seltenen – Mittelspecht (Dendrocopos medius) noch eine dritte Spechtart meine Futterstelle Winter für Winter regelmäßig auf. Vom nur wenig größeren Buntspecht unterscheidet ihn das weißliche „Gesicht“ durch den fehlenden schwarzen Wangenstreif, die feine Strichelung auf Brust und Flanken und die rote Kopfplatte. Zwar haben auch frisch ausgeflogene Buntspechte eine rote Kopffärbung, doch bis zur „Winterhüttenzeit“ tragen diese schon das ausgefärbte Kleid der erwachsenen Buntspechte. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der beiden Arten ist die Färbung der Unterschwanzdecken: beim Buntspecht ist sie intensiv rot, beim Mittelspecht eher rosa.
Den Mittelspecht möchte ich nach nun dreijähriger, winterlicher Beobachtung als einen schüchternen Gast an der Winterfütterung bezeichnen. Besonders zu leiden hat er unter den Buntspechten, die ihn regelmäßig verjagen. Auch dem Star (Sturnus vulgaris) muß er weichen, und vom Kleiber (Sitta europaea), manchmal sogar von einer Kohlmeise (Parus major), läßt er sich ebenfalls den Platz am Fettfutter streitig machen. So richtig in Ruhe fressen kann der Mittelspecht daher eigentlich nur dann, wenn wenig Betrieb an der Futterstelle herrscht.
Es ist immer wieder ein faszinierendes Erlebnis, wenn sich nicht nur die Spechte einfinden, sondern auch Kleiber (europ.) (Sitta europaea), Rotkehlchen (Erithacus rubecula), Goldammer (Emberiza citrinella), Meisen (Parus sp.) und Buchfink (Fringilla coelebs) sowie Bergfink (Fringilla montifringilla). Sehr gut sind aus dem beschriebenen Ansitz Nahaufnahmen auch von den „Kleinen“ zu machen.
Bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß gerade eine Winterfütterung dem ornithologisch Interessierten die Möglichkeit bietet, Sumpf- und Weidenmeise beide im direkten Vergleich an der Futterstelle zu beobachten. Beide Meisenarten sind auf Anhieb gar nicht so leicht auseinander zu halten. Daher wurden auf der Website http://www.bird-lens.com/photos-2/birds-at-feeding-site-in-wintertime/ (hoffentlich) aussagekräftige Bilder dieser beiden Arten ausgestellt.
Die Marsh Tit (Poecile palustris) ist die Sumpfmeise, die Willow Tit (Poecile montanus) die Weidenmeise. Bei der Weidenmeise ist schön sowohl das hell abgesetzte „Fenster“ auf den Armschwingen zu erkennen als auch der recht große schwarze Kehlfleck. Bei der Sumpfmeise ist schön zu erkennen, daß die Armschwingen einfarbig braun sind. Außerdem wirkt die schwarze Haube leicht glänzend. Bei genauerer Betrachtung erkennt man auch, daß der Kehlfleck eher klein ist.
Abschließend sei noch kurz der „Zwerg“ unter den heimischen Spechten erwähnt. Im letzten Winter wurde nicht weit von meinem Ansitz entfernt erstmals ein Kleinspecht (Dendrocopos minor) von einem Nachbarn beobachtet. Von dieser sperlingsgroßen Spechtart weiß ich, daß sie in Skandinavien gerne Winterfutter annimmt. Vielleicht kann ich ja den Kleinspecht als vierte Spechtart im nächsten Winter vor die Linse bekommen.