Ein leise rufendes Gewusel in Hochstauden. Alljährlich findet ein ausgeprägter Zug von Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) statt. Es lohnt sich aber genauer hinzusehen. In den gemischten Trupps können sich nämlich kleine Vertreter der Phylloscopus-Laubsänger aufhalten. Einer davon, der Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus), stammt wie die später im Jahr ziehenden Goldhähnchen-Laubsänger (Phylloscopus proregulus) aus den Taigawälder zwischen der Insel Sachalin im Ochotskischen Meer, Petschora und Ural.
Beim Gelbbrauen-Laubsänger handelt es sich um einen typischen kleinen Laubsänger mit feinem, spitzem Schnabel und relativ kurzem Schwanz. Vom Aussehen her ähnelt dieser Phylloscopus-Laubsänger einem Goldhähnchen (am ehesten einem Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapilla)). Je nachdem wie er sich positioniert, wirkt er nicht zierlicher als der heimische Zilpzalp (Phylloscopus collybita), obwohl seine Körperlänge um acht Millimeter kürzer ist. Die Oberseite ist olivgrün mit etwas hellerem Bürzel und Oberschwanzdecken. Zwei deutliche, aber unterschiedlich intensiv ausgeprägte Flügelbinden, die von den hellen Säumen der Armdecken hervorgerufen wurden, sind meist das auffälligste Merkmal. Der Oberkopf ist dunkelgrün mit sehr schwach angedeutetem hellerem Scheitelstreif. Namensgebend ist der grün-gelbe Überaugenstreif. Dieser Überaugenstreif reicht recht weit nach hinten und wird nach unten durch einen schwarzen Augenstreif begrenzt.
Er unterscheidet sich vom Goldhähnchen-Laubsänger vor allem durch den fehlenden auffällig gelben Bürzel. Auch ist der (gelbe) Scheitelstreifen auf dem Kopf bei weitem nicht so ausgeprägt. Gelbbrauen-Laubsänger sind im Herbst regelmäßige Irrgäste in Europa, obwohl die Hauptüberwinterungsgebiete in den Subtropen und Tropen Asiens liegen.
In diesem Jahr scheinen besonders viele Gelbbrauen-Laubsänger schon sehr früh die südwestliche Route über Europa eingeschlagen zu haben. Seit Anfang September wurden in Osteuropa schon gut 1.000 Gelbbrauen-Laubsänger festgestellt. Normal waren es in den letzten Jahren im gesamten Herbst weniger als 300. Auf dem Weg nach Südwesten sollte zumindest ein Teil dieser Vögel auch über Deutschland fliegen. So wurden der erste Vogel in Brandenburg schon am sogenannten Pfefferfließ innerhalb der Gemeinde Nuthe-Urstromtal im Landkreis Teltow-Fläming angetroffen. 2 Ornithologen konnten den Laubsänger an einem Waldrand regelmäßig rufend sehen. Er folgte einem großen Trupp Waldvögel, ins Waldesinneren. Gehört wurde der typische zweisilbige “tsüip”-Ruf in häufigeren Reihen. Es fand eine lockere Vergesellschaftung mit Zilpzalp, Sommergoldhähnchen, Kohl-, Blau-, Weiden-, Sumpf-, Hauben- und Tannenmeise, Gartenbaumläufer, Kleiber und Buchfink statt.
Der Gelbbrauen-Laubsänger ist ein ausgeprägter Zugvogel, der bereits ab Ende Juli/Anfang August das Brutgebiet in südöstliche Richtung verlässt und in den Subtropen und Tropen Südost-Asiens überwintert. Urs N. Glutz von Blotzheim beschreibt in seinem „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“, Band 12/I „Passeriformes, Sylviidae“, daß einzelne Individuen in den letzten Jahrzehnten immer häufiger westwärts nach Europa und Nordafrika gelangten. Die meisten Feststellungen gelingen ab Mitte September. Die Masse der Feststellungen sind dann bis Mitte Oktober, meist in den Küstenregionen, zu machen. Bereits außergewöhnlich früh, Ende August, gelang der erste Herbstnachweis 2015. Es folgten Beobachtungen vor allem auf Helgoland und entlang der Nordseeküste. Die Beobachtungen aus dem Binnenland sind deutlich seltener. Sie nehmen aber in den letzten Jahren im Zeitvergleich zu.
So wurde im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprogrammes im Herbst des Jahres 2001 nördlich von Worms (Rheinhessen) durchziehende Singvögel gefangen und beringt. Bei einer routinemäßigen Kontrolle der Fanganlage am 30.09.2001 fand sich neben den häufigen Zilpzalpen (Phylloscopus collybita) ein Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus). Auffallend war sein kurzschwänziges Federkleid mit zwei Flügelbinden.
Das Maximum der Irrgastzahlen wird in der Regel Anfang Oktober erreicht. Jetzt ist also genau die richtige Zeit, um nach den seltenen Gästen zu suchen.
Wohin die in Mitteleuropa durchziehenden Gelbbrauen-Laubsänger weiterziehen, ist bisher weitgehend unbekannt. Die bereits lange Reise scheint aber weit nach Südwesten weiter zu gehen. Ein im Herbst 2013 auf Helgoland beringter Vogel konnte im Januar 2014 auf der Kanareninsel Lanzarote fotografiert werden. Die Gründe für das alljährliche Auftreten von Hunderten von Gelbbrauen-Laubsängern in Europa sind noch nicht endgültig geklärt. Wenn Wettereinflüsse die Ursache für Irrgäste wären, müssten kleinere Vögel eigentlich häufiger verweht werden als größere. Forscher konnten zumindest mit Hilfe statistischer Analysen jedoch keine überzeugende Korrelation zwischen der Häufigkeit der Irrgäste und ihrer Körpergröße nachweisen. Zudem tritt der Gelbbrauen-Laubsänger viel zu regelmäßig in Europa auf, als dass für jede Beobachtung ungewöhnliche Wetterverhältnisse auf dem Zugweg verantwortlich gemacht werden können. Einer Hypothese der Forscher zufolge geraten Irrgäste vielmehr durch einen Fehler im Ablauf ihres angeborenen, genetischen Zugprogramms in das falsche Überwinterungsgebiet. Damit würde die Ursache in einer genetisch fixierten, anhaltenden Fehlorientierung der Vögel liegen.
Gelbbrauen-Laubsänger können auf dem Durchzug eigentlich überall auftauchen, in Auwäldern, am Waldrand, in Stauden und Büschen am Strand, in Parks oder in Gärten.
Man sollte sich vor allem mit dem charakteristischen und häufig vorgetragenen Ruf vertraut machen ( www.xeno-canto.org/species/Phylloscopus-inornatus), über den die Vögel oftmals erst auf sich aufmerksam machen. Auf Anhieb ähneln die kleinen Laubsänger vom Aussehen den Goldhähnchen. Sie unterscheiden sich auf Anhieb aber durch den namensgebenden grün-gelben Überaugenstreif.
Als Ausnahmeerscheinung taucht daneben auch der recht ähnliche Goldhähnchen-Laubsänger hin und wieder in Deutschland auf. Der Gelbbrauen-Laubsänger überlappt sich in seinem Verbreitungsgebiet mit dem Tienshan-Laubsänger (Phylloscopus humei), der ebenfalls als verirrter Laubsänger hin und wieder in Deutschland auftaucht.
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