Die Frage, zu welcher – ggf. seltenen – Unterart eine Vogelbeobachtung gehört, spielt in den letzten Jahren auch in Deutschland eine Rolle. Die Briten sind da allerdings – wieder mal – schon viel weiter. Dort werden die Feldkennzeichen unterschiedlicher Subspezies auch von Allerweltsarten intensiv diskutiert. So weit sind wir hier in Deutschland wohl noch nicht. Eine solche Art ist der Alpenstrandläufer (Calidris alpina), der sicher auch im Binnenland zwar nicht direkt ein Brot-und-Butter-Vogel ist, aber doch noch so häufig ist, daß man ihn jetzt in der 26. Dekade (Mitte September) an etlichen Stellen sehen kann.
Das interessante an den Alpenstrandläufern ist, daß sie in der Literatur auf Subspezies-Niveau – anders als ihre Calidris-Artgenossen – recht gut ausdifferenziert sind und als zirkumpolar brütender Weitstreckenzieher grundsätzlich in der Westpaläarktis auftauchen könnten.
In einem sehr informativen Artikel mit der Überschrift „Arctic Dunlin ssp. Arctica, Identification and stuff“ im Blog in Birdingfrontiers wird darauf verwiesen, daß mindestens 3 Unterarten des Alpenstrandläufers Großbritannien passieren und 2-3 seltenere Taxa aus Nordamerika und Sibirien auftreten könnten und auch schon gemeldet wurden.
So kann sich die Suche nach Alpenstrandläufern und das Durchsuchen von Alpenstrandläufertrupps als ausgesprochen produktiv erweisen. Alpenstrandläufer können damit nicht nur ein Ausgangspunkt für die Suche nach anderen selteneren Watvogelarten (vor allem „Calidris“) sein, sondern auch bzgl. der Unterart-Identifikation noch manche Herausforderung bieten. Deshalb lohnt sich immer wieder ein zusätzlicher Blick. Die in Mitteleuropa zu beobachtenden Alpenstrandläufer gehören drei Unterarten an, deren Brutgebiete im Nordosten Grönlands, im Norden Skandinaviens und im Norden Russlands liegen. Für die regulär durch Großbritannien ziehenden Alpenstrandläufer werden 2 Unterarten angegeben. Einerseits die “südlichen Alpenstrandläufer” der Unterart schinzii und die “nördlichen Alpenstrandläufer ” der Unterart alpina. Als Beispiel wird beschrieben, daß im Juli der Durchzug “südlichen Alpenstrandläufer” der Unterart schinzii stattfindet und die Mehrzahl der Beobachtungen fast alle auf die ssp. schinzii entfallen werden. Später im Herbst wird sich das Verhältnis ändern, da dann die Zahlen der “nördlichen Alpenstrandläufer” der Unterart alpina zu steigen beginnen. Die meisten der überwinternden Vögel an den Küsten Mitteleuropas werden wohl der ssp. alpina angehören. Die seltenste, reguläre Unterart, der „Arktische Alpenstrandläufer” der Unterart arctica soll wohl nur gelegentlich beobachtet werden.
Die in Mitteleuropa ansässige Unterart des Alpenstrandläufer (Calidris alpina schinzii) brütet überwiegend in den Salzwiesen und ist auf baumfreie Landschaften als Brutplatz angewiesen. Der kleine Watvogel mit seinem recht langen, gebogenen Schnabel ist auf den ersten Blick einfarbig graubraun gefiedert und weist wenig Differenzierungsmerkmal zu seinem nördlichen Vetter auf. Allgemein unterscheiden sich die Unterarten im Ausmaß der rötlich-braunen Färbung im Brutkleid und in der Länge ihres Schnabels. Obwohl es inzwischen eine Debatte gibt, ob Alpenstrandläufer der Unterart schinzii und die der Unterart alpina überhaupt genetisch verschieden genug sind, um eine Separation auf Unterartebene zu rechtfertigen, scheinen Alpenstrandläufer der Unterart schinzii doch bräunlicher und fahler als die nördlichen Vertreter zu sein.
Abhängig von der Zugzeit dürften dann auch die seltenste europäische Unterart, der „Arktische Alpenstrandläufer” der Unterart arctica beobachtet werden. Die besten Chancen hat man, so interpretiere ich die Literatur, an der Küste bei anhaltenden Stürmen aus West und Nordwest. Wenn sie aber schon für die Ostküste Englands als „Glücksfall“ betrachtet werden, so sollte das erst recht für die Küsten Kontinentaleuropas (zumindest Mitteleuropas) gelten. Wenn man aber mal eine auffällige Unterart des Alpenstrandläufer sieht, ist die Bestimmung deutlich einfacher: der Schnabel der Unterart arctica ist viel kürzer!
Die Hinweise für eine auf morphologischen Äußerlichkeiten beruhende Bestimmung auf Unterart-Niveau sind wohl bei den Mitte September in der intensiv landwirtschaftlich genutzte Hügellandschaft des Niederen Flämings im Süden Brandenburgs gefundenen jungen Alpenstrandläufern nicht ausgeprägt genug. Da bleibt nur die die Beobachtungszeit heranzuziehen und auf den Termin im Herbst abzustellen. Jetzt soll ja die Zeit sein, in der die “nördlichen Alpenstrandläufer” der Unterart alpina ziehen. Damit dürften auch die Mitte September beobachteten Vögel der ssp. alpina angehören
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