Ein würziger Geruch hängt in der Luft. In Schwaden zieht Nebel über das Wasser. Nur schemenhaft ist das andere Ufer zu erkennen. Außer Sichtweite der balzenden Rothalstaucher (Podiceps grisegena) lasse ich meine amphibische Konstruktion mit dem Tarnzelt darauf ins Wasser gleiten. Meine Füße berühren den erstaunlich schlammigen Grund. Wie in Zeitlupe bewege ich die Füße in den hohen Watstiefeln Schritt für Schritt nach vorn. So schwimmt das das Floß mit dem Tarnzelt langsam vom Ufer in Richtung der Rothalstaucher. Ich gratuliere mir zu der Idee, die dem Fotografen erlaubt, ein Motiv aus einer sehr niedrigen Perspektive – praktisch auf Augenhöhe – anzuvisieren und damit eine ungewöhnliche Aufnahmeposition einzunehmen. Da die Vögel an Flüssen, Seen und an der Meeresküste in der Regel eine Gefahr eher vom Land her erwarten und nicht vom Wasser, bietet ein schwimmendes Versteck außergewöhnliche fotografische Möglichkeiten. Mit Hilfe eines amphibischen Tarnzeltes kann man auf der Fotopirsch bis in die unmittelbare Nähe von Wasservögeln gelangen, ohne sie zu verscheuchen.
Einige Vögel schwimmen völlig unbeeindruckt von meiner Anwesenheit nur wenige Meter an der niedrigen Kuppel des Verstecks vorbei, die 80 cm aus dem Wasser herausragt. Am nahen Ufer läßt sich ein Graureiher (Ardea cinerea) am Schilfsaum zwischen den Rohrkolben nieder und jagt nach Fischen. Indem ich das Tarnzelt langsam herumdrehe, schiebe ich das schwimmende Versteck auf eine Sandbank. Der Reiher reckt seinen Hals, um das merkwürdige Ding besser betrachten zu können, nimmt es jedoch nicht als Bedrohung wahr und beginnt ungerührt zu fischen.
Die ersten Erfahrungen mit einem amphibischen Tarnzelt konnte ich in der nordwestliche Puna in der Nordwestecke Argentiniens machen. In dem äußerst abgelegenen Gebiet mit nur rudimentärer Infrastruktur, liegen einige der schönsten und farbintensivsten Felslandschaften, Seen und Salzlagunen. Hier war ich auf der Suche nach dem imposanten Rüsselblässhuhns (Fulica cornuta). Aber auch das Andenbläßhuhn (Fulica ardesiaca) und das Riesenbläßhuhn (Fulica gigantea) war Gegenstand meiner Bemühungen an dem vogelreichen See Laguna de Pozuelos Fotos aus einer tiefen Aufnahmeposition nur wenig über der Wasseroberfläche aufzunehmen. Auch wenn man den Bläßhühnern und anderen Schwimmvögeln aus einer ungewöhnlich niedrigen Perspektive zu Leibe rückt, sollte man doch bedenken, daß schon kleinste Wellen Kamera und Objektiv naß machen können.
Die Basis der Konstruktion sind Sandbleche, wie sie Wüstenfahrer zur Eigenbergung mitnehmen. Es bietet sich geradezu an diese Aluminiumbleche mit kräftigen Schrauben und Muttern zu verbinden und dann an jedes Ende mit einem Spannband festgezurrte Autoschläuche anzubringen. Das Tarnzelt hat damit mehr als genug viel Auftrieb um das (handelsübliche Tarnzelt), Stativ und Kamera-/Objektivkombination aufzunehmen. Der Fotograf sitzt in dem Innenviereckt zwischen den Aluminiumblechen. Eine brusthohe Wathose (ggf. mit Neopren-Socken im Winter) halten die Beine trocken und warm. Stativ und Kamera-/Objektivkombination schwimmen selbst in 10 cm tiefem Wasser. Die Konstruktion kann kaum kippen. Der einzige Nachteil ist, daß man nur soweit ins Wasser kann, solange man den Grund noch erreicht. Verliert man einmal den Boden unter den Füßen, hat es sehr schwer, das Versteck zu kontrollieren. Vom Wasser in der Wathose ganz zu schweigen.
Mit dieser Eigenkonstruktion ist es sehr einfach, ein schwimmendes Motiv im Flachwasser zu verfolgen. Dabei schwenke ich das Tarnzelt und nicht die Kamera, um den richtigen Ausschnitt zu bekommen. Wie oben beschrieben, benutze ich grds. ein Stativ. Alternativ kann man für einen noch niedrigeren Ausgangspunkt Kamera und Objektive auf einen Bohnensack legen, der auf einem Holzrahmen und dem vorderen Aluminiumblech ruht. Da sich das Objektiv auf diese Weise ziemlich nahe an der Wasseroberfläche befindet (ca. 20 cm darüber), benötigt man aber einen Winkelsucher. Die Gefahr Kamera und Objektiv Feuchtigkeit auszusetzen nimmt mit einem niedrigeren Standpunkt natürlich zu. Die meisten Vögel lassen sich durch das Tarnzelt auf dem Wasser nicht stören. Die Toleranz der verschiedenen Arten ist aber sehr unterschiedlich.
Andere Fotografen haben auch schon mit Styroporblöcken als Schwimmkörper experimentiert. Diese müssen aber recht hoch und breit sein. Ein hölzerner Rahmen muß dann die Styroporblöcke halten. Auf einer längeren Reise mit Expeditionscharakter bietet sich die o.a. Konstruktion allerdings geradezu an. Zur Eigenbergung sind Sandbleche sowieso notwendig. Sie werden einfach an den Seiten des Fahrzeugs transportiert. Sowohl die kräftigen Schrauben und Muttern als auch die Spannbänder erfüllen auch in anderen Situationen ihren Zweck. Der Dual-Use-Vorteil von Autoschläuchen muß man keinem erfahrenen Outback-Fahrer erklären. Sie lassen sich klein zusammenlegen und helfen bei einem Reifenschaden im Zweifel zumindest bis zur nächsten Werkstatt weiter. Ein handelsübliches Tarnzelt läßt sich selbstverständlich auch jederzeit an Land aufbauen.
Auch sonst bietet der kleine Salzsee Laguna Vilama tolle Fotomotive. Der See liegt westlich von La Quiaca mitten in der Puna an der Grenze zu Bolivien. Der See ist flach und salzig und eines der eher unbekannten Habitate für Wasservögel wie etwa Flamingos. Hier stieß ich aber auch an die Grenzen der Konstruktion. Das Gesamtgewicht liegt bei gut 25 kg. Die rötlich scheinenden Anden-Flamingo (Phoenicopterus andinus) in der Ferne sollten am nächsten Morgen mit dem amphibischen Tarnzelt besucht werden. Am frühen Morgen war es eiskalt und noch trotz sternenklarem Himmel fast stockdunkel. Mein erster Schritt mit dem am Abend zusammengebauten amphibischen Tarnzelt knirschte vernehmlich. Obwohl stark salzhaltig, war der See auf den ersten 1 cm gefroren. Jeder Schritt in den See hinein war an sich schon eine Tortur. Das Durchstechen der Eisschicht, das Einsinken in den Seegrund, dann Hängenbleiben an der nächsten Eisfläche wären schon ohne das Gewicht des amphibischen Tarnzeltes anstrengend genug gewesen. Jedes Mal mußte ich aber die 25 kg an den scharfkantigen Löchern der Aluminiumbleche anheben und dann wieder einen Meter auf der Eisfläche absetzen. Selbstverständlich brach da auch von Zeit zu Zeit die Eisfläche unter dem Gewicht des amphibischen Tarnzelts ein. Ich war naßgeschwitzt. Als dann auch noch ein Schlauch von einem Zacken des Eises aufgeschlitzt wurde und laut hörbar die Luft aus dem Schlauch entwich, waren mir die Grenzen der Konstruktion aufgezeigt. Erschöpft mußte ich den Rückzug antreten.
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