Sterne funkeln von einem wolkenlosen Firmament. Es ist 3:25 – und damit eigentlich mehr als eine Stunde zu früh. Denn der Sonnenaufgang ist erst für 5:16 angekündigt. Das Steinhuhn (Alectoris graeca) fehlt aber noch in meiner persönlichen Liste der Vögel Mitteleuropas. Da kann man auch schon mal früh aufstehen. Wenig später ist im Osten schon ein Schein von Dämmerung zu erkennen. Es windet ein wenig – für morgens früh sogar ziemlich viel. Ob das das Steinhuhn vom Rufen abhält? Wie auch immer. Ich fahre erst mal aus dem Ort, halte und höre auch schon eindeutig Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus). Die Rufe kommen aus einem kleinen Wäldchen direkt gegenüber dem neu erbauten Supermarkt.
Ich bin zwar etwas müde, bei solchem Anfang geht es aber direkt viel besser. Dann fahre ich die Hauptstraße von Povljana nach Pag. Dabei passiere ich noch im Dunkeln den Malo Plato und die an Malo Blato angrenzenden Meeresbucht (Uvala Mlinica). Auch hier entdecke ich bzw. höre ich den Ziegenmelker; ebenfalls aus einem winzigen Kiefernwäldchen. Beim rund 80 ha großen Malo Blato („Kleiner Sumpf“) handelt es sich um ein brackisches Seggen-Binsen-Feuchtgebiet, in dem zahlreiche Paare der Montagu’s Harrier (Circus pygargus) brüten. Gestern hatten wir ja schon im Nachmittagslicht den Nahrungsflug eines Männchens bewundern können. Ich erreiche schließlich die Verbindungsstraße Pag – Zadar und fahre wieder gen Süden. So finde ich auch schnell wieder den Einstieg in die Nebenstraße, die u.a. nach Povljana führt.
Ich lasse den Velo Blato erst mal rechts liegen und fahre die Straße hoch bis Vlasici. Die Landschaft ist karg und weit. Genau richtig für das Steinhuhn. Kurz vor dem Ortsschild entdecke ich bzw. höre ich den Ziegenmelker noch einmal. Ich fahre den Weg hinein; er führt durch ein kleines Kiefernwäldchen zu einer Müllhalde. Sogar das Klatschen der Flügel ist gut zu hören. Wenig weiter halte ich an und sehe den Ziegenmelker direkt über das Auto fliegen. Ich bin beeindruckt. Es dämmert schon und der Ziegenmelker ist immer noch aktiv. Wenig später ist er aber auch verstummt. Ok, jetzt wird es langsam hell. Zeit für die „richtigen“ Stellen um den Velo Blato. Ich fahre langsam und scanne alles ab. Leider außer einem, der weit verbreiteten, Brachpieper (Anthus campestris) nichts. Es ist immer noch erstaunlich windig für den zeitigen Morgen. Nicht mehr lange und die Sonne kommt über die Bergkämme herüber. Ich stelle mich mit dem Spektiv hinter dem Auto an den Rand der Straße, die von schönen Kreidekalk-Steinen gesäumt wird. Super Blick.
Eindrucksvoll liegen die Wasserflächen zwischen den Schilfgürteln der Velo Blato. Schnell kann ich Haubentaucher, Enten und badende Mittelmeermöwen (Larus michahellis) sehen. Die Großmöwen sind kopfstark vertreten. Der Prädationsdruck durch die Möwen – auch auf das Steinhuhn – wird wohl auch recht groß sein. Wo aber ist das Steinhuhn? Das ist doch die Hauptzielart dieser Reise. Kurz höre ich was. Ich imitiere den Ruf und ein Steinhuhn kommt ruck zuck auf eine Mauer, nicht weit entfernt, geflogen. Dort steht das Steinhuhn keine 30m entfernt und betrachtet den vermeintlichen Rivalen intensiv. Ich kann es kurz im Fernglas sehen. Als ich jedoch zur Kamera greife, ist dem Steinhuhn das Risiko – Steinhühner sind eine begehrte Jagdbeute für einheimische Jäger und Jagdtouristen – zu groß und es fliegt mit einem kurzen Flugruf über die Straße zu einer Felsformation. Es versteckt sich dort anhaltend. Ansonsten zeigt es sich leider wenig kooperativ. Es bleibt die restliche Zeit verborgen. Bei der Suche ist zu beachten, daß beide Geschlechter des Steinhuhns singen. Der Männchengesang soll aber etwas komplexer sein. Die Hauptgesangsphasen liegen in der Brutzeit von April bis Juli. So bin ich mit dem Juniaufenthalt noch nicht zu spät. Später im Jahr gibt es noch eine Gesangsphase, die im September und Oktober liegt. Während der Paarungszeit ist Gesang unregelmäßig den ganzen Tag über zu hören. Auffällige Schwerpunkte bestehen aber während der Morgendämmerung und kurz nach Sonnenuntergang. Ok, die Sichtung hätte ich also schon mal. Da fehlen nur die Fotos.
Zuerst werde ich aber durch einen wunderschönen Steinkauz (Athene noctua) auf einem Felsen abgelenkt. Er ist zwischen den Steinmauern zu sehen und auch zu fotografieren. Ich fahre weiter durch die Steinsteppe um den Velo Blato Richtung Povljana. Ich bin schon fast wieder an der Straße zwischen Povljana und Pag. Da höre ich doch wieder aus beim Fahren aus dem offenen Fenster. Diesmal bekomme ich vom Steinhuhn ein Individuum in großer Entfernung zu Gesicht. Es steht auf völlig frei auf einer der Trockenmauern. Anschließend kann ich ein ausgiebig singendes Männchen hören. Ich habe fast den Eindruck, daß es gar nicht weit, oder sogar direkt hinter der Trockenmauer, an der mein Wagen parkt, steht und singt. Es ist schwer bestimmbar woher der Ruf kommt. Auf einmal erscheint das Steinhuhn wieder. Es ist aber noch weiter entfernt als beim ersten Mal. Damit bleibt weiterhin eine gute Sichtung geschweige denn ein Foto verwehrt.
Ich kurve noch ein wenig in der tollen Karstlandschaft herum. Wiesenweihen passieren mich auf einmal. Ich lasse en Velo Blato dann mal hinter mir liegen und fahre wieder die Straße hoch bis Vlasici. Die Landschaft ist doch wie gemacht für das Steinhuhn. Jetzt ist es bin ich schon 4 Stunden unterwegs. Ich fahre den Berg zügig runter um zu tanken. Da höre ich doch das Geräusch, das ich die ganze Zeit erhofft hatte. Ja, richtig, da steht ja ein Steinhuhn an einem Schafstall direkt auf einer Mauer. Entfernung zur Straße ca. 25 Meter. Als ich anhalte, hält das Steinhuhn, nein es sind ja 2, ein Männchen und ein Weibchen, sogar still. Ich hole das 600er raus und kann ein paar tolle Aufnahmen schießen als das Steinhuhn-Männchen auf der Steinmauer stolziert und dem Weibchen folgt. Ich setze sogar zurück und schieße noch ein paar Fotos. Super, wie nah die einen rankommen lassen. Die Positionsänderung – noch etwas näher an die Steinmauer heran – irritiert das Weibchen wohl. Jedenfalls fliegt es mit schwirrenden bemerkenswerten schnellen Flug davon; das Männchen folgt innerhalb kürzester Zeit. Es ist 8:10. Wow, Glück gehabt.
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