Der Kontrast zwischen der Kühle des Morgens und der wüstenhaften Trockenheit des Geländes kann nicht größer sein. Wir befinden uns auf einem Morgenausflug zur Landenge von Jandia. Plötzlich steht ein kleiner, olivbrauner Singvogel auf einer Trockenpflanze. Es ist ein Iberienzilpzalp (Phylloscopus ibericus). Der Iberienzilpzalp ist hauptsächlich auf der Iberischen Halbinsel in Spanien und Portugal beheimatet. Er wandert jedoch im Herbst in den Süden. Dieser Zilpzalp ist heller, grüner auf dem Hinterteil und gelblicher als der „normale“ Zilpzalp (Phylloscopus collybita). Anfangs hieß der Iberienzilpzalp mit seinem lateinischen Namen Phylloscopus brehmii. Dann stellte sich aber heraus, dass der Typus dieses Taxons gar kein Iberienzilpzalp war. Diese Art ist ein Langstreckenmigrant, der jedes Jahr auf dem Rückweg von seinen Wintergebieten in Westafrika bis nach Deutschland kommt. So wurde z.B. in Zarrendorf bei Stralsund in der nordöstlichen Ecke Deutschlands im Mai 2012 ein solcher Vogel gefunden. Dies ist im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Weitere Irrgäste werden immer wieder – vor allem im Frühjahr – auch in anderen Teilen Deutschlands beobachtet.
Es war mir natürlich ein Vergnügen, einen Iberienzilpzalp im niedrigen Gestrüpp auf der sandigen Ebene auf der Landenge von Jandia in der südlichen Ecke von Fuerteventura / Kanarischen Inseln zu sehen. Zuerst dachte ich, ich hätte den Kanaren-Zilpzalp (Phylloscopus canariensis), den auf den Kanaren einheimischen Zilpzalp, fotografiert. Dies ist jedoch eine Art, die auf den großen Kanarischen Inseln westlich von Fuerteventura vorkommt und eigentlich nicht für Zugverhalten bekannt ist. Wie man in einem sehr guten Abstract unter http://en.wikipedia.org/wiki/Iberian_Chiffchaff nachlesen kann, kommt die westliche Unterart Phylloscopus canariensis canariensis auf El Hierro, La Palma, La Gomera, Teneriffa und Gran Canaria vor. Diese Art ist kleiner als der gewöhnliche Zilpzalp und hat kürzere, rundere Flügel. Es ist olivbraun oben und hat eine braun-beigefarbene Brust und Flanken. Die östliche Unterart Phylloscopus canariensis exsul, der Lanzarote-Zilpzalp, von Lanzarote und möglicherweise Fuerteventura war oben blasser und unten weniger rostfarben als sein westlicher Verwandter. Außerdem äußert er seinen Ruf rauer. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich vielleicht sogar um eine eigene Art handelte, die jedoch spätestens 1986 ausgestorben ist. Wahrscheinlich ist die Population der Art aber schon viel früher erloschen. Die Gründe für sein Aussterben sind unklar, aber die (Unter-)Art scheint immer nur eine kleine, lokalisierte Population aufgewiesen zu haben und trat nur im Haria-Tal von Lanzarote auf.
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