Die dunklen Falken im Ägäischen Meer gleiten durch die Luft und steigen auf in das Blau des ägäischen Frühlingshimmels, tauchen ab oder fliegen in pfeilschnellem Flug um Oliven- und Pinien-Wäldchen. Die Eleonorenfalken (Falco eleonorae) führen ein Schauspiel der Akrobatik vor. Eleonorenfalken sind die am wenigsten bekannte und auch vom Verhalten her sehr außergewöhnliche der zehn europäischen Falkenarten, die im April aus dem entfernten Madagaskar in ihre Brutgebiete im östlichen Ägäischen Meer zurückgekehrt sind. Häufig sind es nur kleine schmale Streifen felsiger, unbewohnter Inseln. Die Unzugänglichkeit der Inseln erhöhen die Wahrscheinlichkeit dort Eleonorenfalken beobachten zu können. Die Brutzeit der Eleonorenfalken beginnt erst zwei, drei Monate später, gegen Ende des Sommers. Neben den Eleonorenfalken gibt es auf den meisten Inseln auch kleine Brutkolonien von Rötelfalken(Falco naumanni), die große Insekten und Eidechsen von ihren Jagdgebieten eintragen. Auf dem schroffen Felsen sucht derweil ein Wanderfalke (Falco peregrinus) mit seinem scharfen Auge den südlichen Horizont nach afrikanischen Einwanderern oder nach seiner Lieblingsspeise, dem Chukarhuhn (Alectoris chukar), ab. Doch der Eleonorenfalke ist der Wappenvogel der Ägäis. Hier brüten drei Viertel des Weltbestandes im Spätsommer.
Diese hoch spezialisierten Falken leben häufig in unberührten und isolierten Lebensräumen der zahllosen Insel der Ägäis. Vor allem die kleinen Felseninseln der Dodekanes stellen ein Rückzugsgebiet nicht nur für Falken sondern auch für Schlangenadler (Circaetus gallicus), Habichtsadler (Aquila fasciata), Zwergadler (Hieraaetus pennatus) , Korallenmöwe (Ichthyaetus audouinii), Häherkuckuck (Clamator glandarius), Fahlsegler (Apus pallidus), Grauortolan (Emberiza caesia), Mittelmeer-Sturmtaucher (Puffinus yelkouan), Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris diomedea), Alpensegler (Apus melba) und Krähenscharbe (Phalacrocorax aristotelis) dar.
Die Inselkette der Dodekanes, auch Dodekanisa genannt, liegen in der südlichen Ägäis, kurz vor der Küste der Türkei. Während Athen in nordwestlicher Richtung liegt, ist Kreta in südwestlicher Richtung gelegen. Diese griechische Inselgruppe besteht aus 12 Hauptinseln. Die meisten der restlichen Inseln – je nach Zählweise bis zu 160 Stück – sind unbewohnt.
Von den Hauptinseln spielt das geschichsträchtige Rhodos und das mit Sandstränden reich gesegnete Kos die touristischen Hauptrollen. Einige lokale Flughäfen kann man nur über Athen anfliegen. Um zu den anderen Inseln der Dodekanes zu gelangen, muss man mit einer der recht zahlreichen innergriechischen Fähren fahren. Vor allem aufgrund der Unzugänglichkeit konnten sich gerade die kleinen Inseln eine Ursprünglichkeit erhalten, die man heute in Griechenland nicht häufig findet. Hier hat sich eine unwirtliche Umgebung für Menschen, eine Wildnis am Rande Europas erhalten. Das Überleben von so gefährdeten Arten wie des Eleonorenfalken und der Korallenmöwe hängt fast vollständig von diesem Ökosystem ab. Auch für Durchzügler spielen die Inseln eine wichtige Rolle. So ziehen Rotfußfalken (Falco vespertinus) und Baumfalken (Falco subbuteo) im Herbst und Frühjahr durch.
Falken zählen zu den eindrucksvollsten Vögeln. Sie gehören aber auch zu denen, die nicht einfach in Aktion zu fotografieren sind. Auf meinen Ausflügen auf den Inseln wurde mir klar, dass die steilen Felsen der Dodekanes eine gute Gelegenheit bieten würde, diese schnellen Raubvögel besser kennen zu lernen. Es ist aber eine fotografische Herausforderung. Stellt sich der Fotograf auf die Steilkante kann man einige schöne Flugmanöver fotografieren. Die Perspektive und die Erfolgsquote sind aber nicht immer ergiebig, da man meistens von oben auf den unterhalb fliegenden Vogel scharfstellt. Eingedenk der Birding-Erfahrungen u.a. von Nordnorwegen, versuchte ich die Eleonorenfalken vom Boot aus zu fotografieren. Ich hoffe darauf, daß die Eleonorenfalken Menschen auf Booten nicht mit einer Gefahr assoziieren. Die Falken sollten daran gewöhnt sein, Fischerboote und Fischer von Nahem zu sehen. So konnte ich mich von einem geschickten Kapitän an den Stützpunkt eines Falken an eine steile Felsennadel bringen lassen. Umso häufiger wir diese Näherungsweise probierte, desto vertrauter wurde der Eleonorenfalke. Beim 3. Besuch fiel die Fluchtdistanz unter 25 Meter, und als der Falke davonflog, stellte sich heraus, dass es überhaupt keine Flucht war: Der Vogel kam mit Beute von einer Jagd zurück. Die Fänge hielten etwas, das wie ein Grauortolan (Emberiza caesia) aussah.
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