Kurz vor der Abzweigung nach NP Monte Pacoal steht ein toller Granitkegel, der wirklich wie ein Finger aussieht. Super. Der Gipfel des Monte Pascoal ist zwar nur 536 m hoch, aber er wirkt sehr eindrucksvoll.
Das Wetter ist die ganze Zeit recht sonnig, aber schwül. Als ich zum NP komme, erlebe ich aber wieder mal einen tropischen Schauer. Der Park sieht echt nett aus – ist allerdings scheinbar von Menschen verlassen. Ich fahre eben einfach rein und stelle mein Auto am Visitor Center ab. Ich laufe noch ein bißchen in der Umgebung.
Es gibt nur einen Weg, so wie im Buch „Where to find Birds in South America“ von Nigel Wheatley beschrieben, und der geht vom Visitor Center runter zu einem Bach. Am Anfang ist das Dickicht Sekundärwald, also purer Barbecho oder Capoeira wie man in Brasilien sagt. Ich packe mir den Rucksack mit dem Nikon Nikkor AF-I 300mm f/2.8 D ED und dem Gitzo Einbeinstativ (Monopod) auf die Schulter. Die Luft ist inzwischen ganz klar. Hoch in den Bäumen, für mich nicht einzusehen, toben ein paar Parakeets. Der erste Vogel, den ich sehe, ist unweigerlich ein Manakin, es ist ein Männchen der Säbelpipra (Manacus manacus), die heutzutage wohl als Weißbrustpipra in den Artenlichten geführt wird. Super. Das Männchen kommt ganz nah und klammert sich an seinen horizontalen Ast. Super, sieht es aus. Ansonsten macht es nicht viel. Leider ist es auch nicht dazu zu bewegen, seine Balz vorzuführen. Ich kann mit dem Nikkor AF-I 300mm f/2.8 D ED Objektiv- (nachher mit 1,4 Konverter) und dem Metz Mecablitz 40 MZ-1i Aufsteckblitz das Männchen frontal fotografieren. Ich fange in einiger Entfernung an und komme langsam näher, bewege die Blätter und Zweige dabei vorsichtig zur Seite, um ein freies Schußfeld zu haben. Alle Fotos fotografiere ich im Normalmodus ohne Korrektur.
Nach diesem guten Anfang laufe ich dann den steilen Weg weiter herunter. Dort setzte ich mich erst mal hin. Der Blick auf den Bach, der die Granitfelsen herunterplätschert ist toll, außerdem scheint die Sonne so schön in den Urwald. Ich werde für mein Ausharren nach einiger Zeit mit einigen weiteren Arten des brasilianischen Küstenregenwalds belohnt.
Die Männchen der Weißbrustpipra verbringen die meiste Zeit an gemeinsamen Balzplätzen (Leks), auch Balzarenen genannt. Die größten Balzarenen haben eine Fläche von mehr als 250 m². Innerhalb des Reviers unterhält jedes Männchen einen kleinen „Hof“, der einen Durchmesser weniger als 1m² hat. Dieser befindet sich auf dem Waldboden; er wird von Blättern, Zweigen und Unrat befreit. An dieser Stelle führen die Männchen eine Vielzahl von individuellen Balz-Darbietungen auf, in der Regel mit vielen anderen Männchen in unmittelbarer Nähe. Die Balzplätze dieser Pipren gelten als klassische Leks, weil die Männchen sich gegenseitig sehen und hören können. Die Männchen bleiben die meiste Zeit des Tages in ihrem Revier (mehr als drei Viertel des Tages). Zu dieser Zeit war mir nicht klar, dass ich mich wohl mitten in einem solchen Balzplatzgebiet befunden haben mußte. Das mag auch daran liegen, dass ich keine anderen Männchen in der Nähe gesehen habe. Obwohl die Konkurrenz um die einzelnen Balzplätze sehr groß ist, kommt es nach der Etablierung der „Höfe“ kaum noch zu Aggressionen zwischen den Männchen. Männchen ohne etablierte Höfe werden manchmal aggressiv, d. h. sie jagen lange und greifen an, wenn sie in ein bereits etabliertes Gebiet eindringen. Als Beobachter, der Weißbrustpipras auf dem Macuco-Trail in Misiones/Argentinien und auf dem Poco Preto-Trail in Parana in Südbrasilien sowie an 2 Standorten in Bahia an der brasilianischen Küste gesehen hat, ist es bemerkenswert, dass ich bei allen Begegnungen überhaupt keine Balzarenen wahrgenommen hatte. Vielleicht hätte ich vorher in der Literatur besser recherchieren – und mich verhaltenstechnisch besser vorbereiten sollen. Interessant ist außerdem, dass die home ranges der Männchen eine Balzarena und eine Badestelle umfassen. Bei den Weibchen ist es ähnlich. Die Weibchen unterhalten aber auch Nistreviere in der Nähe von Bächen, was das Aufspüren eines Weißbrustpiprapaares eigentlich erleichtern sollte. Das Sexualverhalten ist interessant – und sollte ebenfalls zum Auffinden von Weißbrustpipren beitragen. Weißbrustpipras sind nämlich promiskuitiv, wobei sich sowohl Männchen als auch Weibchen in einem multiplen System paaren. Die Lekplatzierung folgt einem so genannten Hotspot-Modell und ist mit Gebieten mit hohem Nahrungsangebot assoziiert. Diese Gebiete mit hohem Nahrungsangebot führen zu einem hohen Aufkommen von Weibchen, die Futter suchen. Dies ermöglicht es den Männchen, die größtmögliche Anzahl von Weibchen zu treffen.
Gegen Abend laufe ich aus dem dunkler werdenden Wald wieder zurück zum Visitor Center. Später kommt mich doch ein sehr netter Indio mit voller Bemalung besuchen. Ich frage ob ich hier überhaupt bleiben kann. Er scheint nichts dagegen zu haben und weist mich auf die tollen Vögel hin (u.a. hat er 2 auf der Fensterbank sitzen, die ich mit dem platten Schnabel schon für Vögel aus der Gattung der Breitschnäbel – in Mittel- und Südamerika einheimische Sperlingsvögeln aus der Tyrannenfliegenfängerfamilie (Tyrannidae), die auffallend breite, flache und dreieckige Schnäbel haben – gehalten habe. Der Indio hat die Vögel wohl schon als Nestlinge bekommen und aufgezogen. Er sagt mir, daß ich etwas mit der „cobra“ unter der Holzveranda aufpassen soll. Auch den schwarzen Jaguar gäbe es hier. Aber beide wären nur zu bestimmten Zeiten aktiv. Sehr nett. Ich schreibe noch den Bericht vom heutigen Tage zu Ende und haue mich dann aufs Ohr. Ich schlafe erstaunlich gut, wache nur manchmal auf. Die Nacht ist, wie bisher alle Urwaldnächte, nach einiger Zeit erstaunlich still.
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