Endlich mal ein richtig schöner Sonnentag. Wir lassen das Auto oberhalb von Stari Grad stehen und wandern in der mittäglichen Hitze (25-28°C) umher. Es ist doch schon ganz schön heiß. Plötzlich sehen wir einen kreisenden, hell wirkenden Greif, der am blauen Himmel zu sehen ist und sich in der Thermik des dahinter liegenden Bergkegels offensichtlich wohlfühlt. Meine Vermutung, Kurzfangsperber (Accipiter brevipes), wird schon bei der Durchsicht durch den Sucher der Canon R 5 bestätigt. Immer wieder fliegt der weibchenfarbige Kurzfangsperber seine Kreise. Auch der Kurzfangsperber ähnelt sehr seinem Verwandten, dem Sperber (Accipiter nisus). Beide werden ja auch ungefähr gleich groß und erreichen ähnliche Flügelspannweiten. Wie auf dem Foto zu erkennen ist, hat der Kurzfangsperber allerdings hellere Unterflügel. Die angeblich dunkleren Flügelspitzen, die im Flug ja gut zu erkennen sein müßten, sind jetzt nicht so prägnant.
Aber die gleichlautenden Beschreibungen in den – vorwiegend deutschsprachigen – Websites im Internet deuten darauf hin, daß offensichtlich alle voneinander abschreiben. Was nämlich wirklich auffällt im Gegensatz zum Sperber, ist, daß es sich hier um einen dunkeläugigen Greif handelt. Außerdem weisen Weibchen einen dunklen zentralen Kinnstreifen, den sogenannten gular stripe, auf. Dass viele deutschsprachige Websites darauf gar nicht eingehen, kann wohl nur damit zu tun haben, dass sie einfach mit copy und paste aus Wikipedia abschreiben.
Während die Unterseite des Männchens hell und nur schwach gebändert ist, findet sich bei dem Weibchen ein kräftigeres Bändermuster. Eine Bänderung gar „Sperberung“ kann ich auf den Fotos nicht erkennen. Zwar ist der zentrale Kinnstreif gut zu sehen, die Streifen wirken aber eher längs als quer. Damit könnte es sich um einen noch nicht ausgereiften, jungen Vogel handeln. Sicher ist er aber kein diesjähriger sondern eher ein vorjähriger Jungvogel, der vielleicht sein neues Revier erkunden muß.
Dass der graue Schwanz mit dem hellen Bürzel ein ganzes Stück kürzer als beim „normalen“ Sperber ist, fällt mir jetzt auch nicht auf Anhieb auf. Die Proportionen wirken aber schon anders, falkenähnlicher, mit spitzeren Flügeln, nicht ganz unähnlich denen des Turmfalken (Falco tinnunculus).
Die Mehrzahl der Aufzeichnungen, die in der wissenschaftlichen Arbeit zum „Conserving Wild Birds of Montenegro – potential SPA Natura 2000“ zeigen, dass der Kurzfangsperber hauptsächlich das Tiefland von Süd-Montenegro und damit praktisch ausschließlich die mediterrane biogeografische Region bewohnt und offenere Landschaften mit Mosaiken aus Hecken, Obstplantagen, kleinen Dörfern, lockeren Wäldern und Buschland bevorzugt, die normalerweise in der Nähe von Wasser und menschlichen Behausungen liegen.
Bemerkenswert ist einerseits, wie wenige gesicherte Beobachtungen pro Jahr in der Ausarbeitung genannt werden und andererseits bei den fünf wichtigsten Gebiete, in denen die Art vorkommt, das Rumija-Gebirge erst an 4. Stelle vorkommt. Dagegen haben wir praktisch bei jedem Besuch des Rumija-Gebirges Anfang Mai den Kurzfangsperber beobachten können. Die auf vorderen Plätzen genannten Orte, u.a. Bojana Delta und Skutari-See dagegen für uns unproduktiv waren.
Aufgrund der Ähnlichkeit mit Sperber und Turmfalke, dem vergleichsweise scheuen und zurückgezogenen Verhalten und der verstreuten Verbreitung dürfte die in der Arbeit genannte Gesamtpopulation von 100 – 180 Brutpaare wohl nur nur eine grobe sondern auch am unteren Limit befindliche Schätzung für das Land Montenegro sein.
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