Als langjähriger EOS-1D – Nutzer (zuletzt Canon EOS-1D X Mark III) bin ich schon lange auf das (spiegellose) Nachfolgemodell für die EOS-1D X Mark III am Warten. Bei der Canon EOS R1 stellt sich wohl nicht die Frage, ob Canon diese neue Kamera liefert, sondern lediglich, wann sie auf den Markt kommen wird. Canon hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass man über der EOS R3 bewusst noch Platz für ein echtes Flaggschiff gelassen hat und es gibt Gerüchte, dass die Canon EOS R1 bei den Olympischen Sommerspielen 2024 zu sehen sein wird.
Zuverlässige Informationen zu den technischen Daten der Canon EOS R1 lassen derzeit noch auf sich warten. Trotzdem gab es in den letzten Monaten natürlich diverse Gerüchte, in denen häufig von einer Auflösung im Bereich zwischen 45 und 50 Megapixeln die Rede war. Zwischendurch war auch schon mal die Rede davon, daß die Canon EOS R1 mit einem ganz neuen, innovativen Vollformat-Sensor ausgestattet sei, der eine Auflösung von 100 Megapixel bietet würde. Damit würde die hochwertigste Kamera von Canon auch die hauseigene Konkurrenz deutlich übertreffen, was die Sensor-Auflösung betrifft. Die Canon EOS R3 bietet nur eine Auflösung von 24 MP und die deutlich günstigere EOS R5 kommt zwar auf eine Auflösung von 45 MP, diese Kamera kann aber nicht mit der Geschwindigkeit und mit einigen Features der Profiklasse Schritt halten. Auch bei der Auslesegeschwindigkeit des (Stacked-)Sensors soll Canon wohl eine Schippe drauflegen, manche träumen außerdem nach wie vor von einem Global Shutter.
Verbesserungen beim Autofokus sind wohl obligatorisch, derzeit sieht es aber nicht so aus, als würde Canon einen neuen Quad-Pixel-Autofokus implementieren. Dafür soll der Eye-Control-Autofokus der EOS R3 aber übernommen und deutlich optimiert worden sein. Ob Canon den Sucher der EOS R3 aus Kostengründen übernehmen oder einen neuen EVF mit rund 9 Millionen Bildpunkten verbauen möchte, ist noch unklar.
Bei solchen Eckdaten stellt sich natürlich die Frage, ob man nicht auch mal die EOS R3, Canons aktuelles Flaggschiff bei den spiegellosen Kameras, testen sollte.
Die EOS R 3 sieht vielen Generationen der professionellen digitalen Spiegelreflexgehäuse 1D, 1Ds und 1DX sehr ähnlich. Während das Aussehen und die hervorragende Ergonomie der R3 diesen Kameras ähneln, ist das Gewicht alles andere als vergleichbar. Die EOS R 3 ist mehr als 40 % leichter als die Canon EOS-1D X Mark III. Die R3 verfügt über einen 24-Megapixel-Vollformatsensor, der auch bei schlechten Lichtverhältnissen hervorragend funktioniert. Man muß sich keine Gedanken über die Verwendung von ISO-Einstellungen machen, die vor nicht allzu langer Zeit als verrückt galten. Ein Nachteil des Sensors ist für einige, dass er „nur“ 24 MP hat; Eine bescheidene Zahl im Vergleich zu der 45-MP-Canon R5. In vielen Fällen sind 24 MP aber als ausreichend zu betrachten.
Das Schießen ist rasend schnell und kann völlig geräuschlos sein; 30 Bilder pro Sekunde (fps) mit dem elektronischen Verschluss im vollständigen Rohformat mit vollem Autofokus und Belichtungsmessung, mit einem Puffer, den ich bei ersten Versuchen nicht auslasten konnte. Aufnahmen mit dem mechanischen Verschluss sind – wie bei der R5 – mit bis zu 12 Bilder pro Sekunde möglich. Die Gleichung ist ganz einfach: Je mehr Aufnahmen man machen kann, desto größer sind die Chancen, ein scharfes Bild eines Vogels im Flug zu haben.
Vögel im Flug zu fotografieren ist eine der anstrengendsten aber auch erfüllensten fotografischen Herausforderungen. Die Vögel in ihrem Element, dem Flug, festhalten ist zudem häufig die einzige Möglichkeit, diese Vögel überhaupt aus der Nähe fotografieren zu können. In der Luft fühlen sie sich offensichtlich sicher und kommen deutlich näher an den Fotografen, wie dies auch schon bei Schwalben und Segler-Aufnahmen in Kamerun oder bei einem nach Fliegenschnäpper-Art im Regen fliegenden Bülbül deutlich wurde.
Die Geschwindigkeit und der hervorragende Autofokus der R3 ergeben eine starke Kombination. Eine Folge von 35 Bildern, die ich von einem Eichelhäher beim Fliegen aufgenommen habe, waren fast alle scharf, und die 30 Bilder pro Sekunde halfen dabei, einige sehr ansprechende Flügelpositionen einzufangen. An den Flügelspitzen des Eichelhähers war eine Unschärfe zu erkennen, was bei diesem Modell jedoch kein großes Problem darstellt. Der Autofokus (AF) scheint eine Weiterentwicklung gegenüber dem R5 zu sein, insbesondere mit einem 2x-Konverter; Die zusätzliche Leistung des größeren Akkus des R3 unterstützt auch das verbesserte AF-System. Die R3 verfügt über ein sehr leistungsfähiges AF-System zur Augenerkennung, das sich extrem schnell auf das Auge jedes Vogels konzentrierte, auf den ich es richtete.
Insgesamt kann man sagen, daß das AF-System der R3 wirklich sehr treffsicher ist. Hier besonders die Tieraugen-AF-Funktion. Das Auge eines Tieres im Fokus zu halten, ist eine entscheidende Herausforderung in der Vogelfotografie, und den idealen Fokuspunkt auf dem Auge eines Vogels zu halten, ist ein Schlüssel zu dieser Herausforderung. Wenn ein Vogel seinen Kopf dreht, ändert sich der ideale Bildausschnitt in der Regel genauso schnell wie der Kopf, so dass der AF-Punkt oft über den gesamten Bildausschnitt verschoben werden muss. Fliegende oder schwimmende Vögel können fast augenblicklich ihre Richtung ändern oder sie tauchen einfach ab. Allzu oft ändert das Motiv seine Position erneut, bevor sich der AF-Punkt an der gewünschten neuen Stelle befindet. Die Konsequenz ist: die Aufnahmen werden verpasst. In Kombination mit dem EF-zu-RF-Adapter funktioniert die R3 sehr gut mit älteren EF-Objektiven, aber noch besser mit einem der neuen RF-Objektive.
Mit dem Tieraugen-AF-System des R3 ist das AF-Messfeld in den meisten Fällen kein Problem mehr, und der Fotograf kann sich auf den richtigen Bildausschnitt konzentrieren, da das Auge des Tieres fast über den gesamten Bildausschnitt verfolgt wird. Ich habe mit der R3 eine Vielzahl von Vögeln und Tieren fotografiert. Aber auch wenn der Augen-AF nicht verwendet wurde, verfolgte der AI-Servo-AF dieser Kamera bewegte Motive auch in anderen Fokus-Einstellungen sehr genau.
Natürlich kann der Tieraugen-AF irritiert werden. Das gilt z.B., wenn das Auge einer Nachtigall (Luscinia megarhynchos) zwischen sprießenden Weidenknospen zu erkennen ist. Die Canon R3 verfügt zudem über eine faszinierende „Augensteuerung“-AF-Funktion, mit der sie auf alles fokussiert, was das Auge des Fotografen sieht. Das schien gut zu funktionieren, aber aufgrund der Geschwindigkeit und Akkuratesse des Tieraugen-AF bevorzugte ich doch diese Methode. Die Akkulaufzeit ist mit etwa 600 Aufnahmen gut und entspricht in etwa den Erfahrungen, die ich mit der EOS-1D X Mark III habe. Es ist aber auch ein Vielfaches dieser Zahl möglich.
Es ist müßig auf die Merkmale des elektronischen statt des optischen Suchers einzugehen. Die Diskussionen sind vor 5 Jahren noch geführt worden. Der Sucher in der Canon R3 ist jedenfalls groß, hell und hervorragend in den Details.
Alles in allem ist es eine schöne Kamera. Mir gefällt die Ergonomie und Funktionalität des vertikalen Batteriegriffs, auch das Gewicht bleibt sehr überschaubar. Der R3 verfügt über zwei Kartensteckplätze; eine für das neue superschnelle CFexpress-Format und eine für die bekanntere SD-Karte. Eine Konstellation wie bei der Canon EOS R5 sind wohl nicht bei einer Canon EOS R1 zu erwarten. Einige Fotografen würden zweifellos zwei CFexpress-Steckplätze bevorzugen.
Es ist nachvollziehbar, daß ein professionelles Leistungsniveaus einen hohen Preis bedeutet. Ich denke, daß ich gerne Action-Aufnahmen und mehr Pixel hätte. Ich glaube, daß ich noch bis zur Canon R 1 warte, auch wenn die R3 der aktuelle Geschwindigkeits- und Autofokus-König im Canon-Sortiment ist.
Auf die Möglichkeiten der Kommunikationsverbindungen (u.a. WLAN-Verbindung mit EOS-Utility) möchte ich noch hinweisen. Die eingebauten Kommunikationsvorrichtungen in der Canon EOS R3 bauen schon recht schnell eine Verbindung zu einem Smartphone oder einem Laptop-Computer auf. Ausprobiert hatte ich das ja schon beim mir vor Ort. Ferngesteuertes Betrachten, Editieren, Retuschieren und Übertragen von Aufnahmen ist nicht mein Wunsch. Aber die damit verbundene praktische Fernbedienung mit vorheriger Fernbetrachtung durch die Kamera nutze ich gern. Auf dem Display des Laptops wird genau das angezeigt, was ich sonst durch den Sucher oder auf dem rückseitigen Kameradisplay sehen würde. Mit der EOS Utility Software werden Fotoaufnahmen mit vielen Einstellmöglichkeiten (sogar mit Lupenfunktion) eingestellt und dann ausgelöst.
Schon kurz nach dem Kauf der Canon EOS 1DX Mark III interessierte ich mich damals nämlich für eine Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten. Die Canon EOS 1DX Mark III läßt sich nämlich mit einem sogenannten Wireless File Transmitter über 150 m Reichweite mit einer Geschwindigkeit von 5 GHz fernsteuern. Das sind deutlich größere Entfernungen mit weniger Interferenzstörungen als über den integrierten Ethernet-Anschluss oder die integrierte WLAN-Schnittstelle des Kamera-Body. Dazu ist der WFT-E9 notwendig. Dieser bietet mehr Reichweite und Zuverlässigkeit. Dies ist sehr praktisch insbesondere in einem mit vielen Störsendern „verschmutzten” Umfeld wie im innerstädtischen Bereich mit Handys.
Der Preis ist allerdings heftig für den neuen – extra für diese EOS 1 – Kamera konzipierten – Wireless File Transmitter und liegt bei gut 700,- Euro. Vielleicht findet der WFT-E9 ja bei einer Canon R1 ein neue Andock-Möglichkeit. Bei der R 3 ist er jedenfalls nicht vorgesehen.