20 Kleinvögeln sind ständig zwischen einem Gartengebüsch und dem nahen Vogelhaus unterwegs. Auf Anhieb kann ich Kohlmeise (Parus major), Blaumeise (Cyanistes caeruleus), Kleiber (europ.) (Sitta europaea), Grünfink (Chloris chloris), Stieglitz (Carduelis carduelis) und Haussperling (Passer domesticus) identifizieren. Während Kohl- und Blaumeisen bevorzugt das Futterhaus anfliegen, picken Grünfinken, Stieglitze und Haussperlinge an dem Futter, welches auf den Boden gefallen war. Nur manchmal fliegen sie auch das Vogelhäuschen an. 3 Heckenbraunellen (Prunella modularis) treiben sich im Hintergrund herum. Doch was war das? Ein Vogel, der deutlich größer als die anderen ist, landet zwischen den Singvögeln, was diese zur Flucht veranlasste. Ich holte schnell das Fernglas, um den Neuzugang zu bestimmen. Sein kräftiger Schnabel verrät mir, dass es ein Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) ist. Schon seit Jahren stehen Fotos von diesem schönen Vogel auf meiner fotografischen Wunschliste, doch leider hatte ich ihn bisher nicht vor die Linse bekommen. Nach kurzer Überlegung beschloss ich, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Noch am selben Tag baute ich das Tarnzelt nahe der Fütterung auf und freute mich auf die bevorstehenden Stunden im Fotoversteck.
Ich nutze das geräumige Buteo Stealth Gear 2-Personen- Tarnzelt Extreme Professional Wildlife Square Hide. Als Unterlage nutze ich das Cullmann Stativ Titan Professional CT200 und befestige den ProMediaGear GKJR Katana Pro Aluminum Gimbal Head. Fotografieren kann ich mit dem Canon-Objektiv EF 400mm f/2.8 IS II USM an einer Canon EOS R 5. Das klappbare Display der Canon EOS R 5 ist ein wahrer Segen. Anfangs stelle ich den Autofokus der Canon EOS R 5 auf mittenbetonten AF, wechsle dann aber zur Spotmessung.
Die Kleinvögel, die in seinem Garten erstaunlich scheu sind, brauchten eine Weile, bis sie das Tarnzelt in der Nähe der Futterstelle akzeptierten. Der Winteransitz kann eine gute Möglichkeit sein, die vermeintlich naturfotografisch ruhigere Jahreszeit zu überbrücken.
Da stellt sich die Frage, was dabei zu beachten ist.
Der Platz für ein Versteck, ein Tarnzelt oder vielleicht sogar eine feste Ansitzhütte, sollte sorgfältig ausgewählt werden. Wenn man im Herbst das Versteck aufbaut, muss man bedenken, wo die Sonne in den nächsten Monaten stehen wird. Auch sollten Hecken, Gestrüpp und Bäume in der Nähe sein, in die sich die Vögel bei Gefahr zurückziehen können.
Als nächstes steht die Wahl des richtigen Hintergrundes im Fokus. Vogelfütterungen, die unmittelbar vor einer stark strukturierten Hecke stehen, sind eher ungeeignet. Auch wenn diese Stellen von den Vögeln gerne angenommen werden, da sie sich verdeckt der Fütterung nähern können. Bei Verwendung von Teleobjektiven werden häufig auch dünne Äste und Zweige im Bildhintergrund als breite Streifen sichtbar. Vor einem stark strukturierten Hintergrund heben sich die Tiere schlecht ab. Störende Zweige, die den Vögeln auf dem Bild später scheinbar wie Speere aus dem Körper ragen, stören die gesamte Bildkomposition. Daher sollte man sich zumindest für den unmittelbaren Fütterungsbereich einen ruhigen Hintergrund aussuchen. Gute Erfahrungen habe ich mit Baumstämmen gemacht, die vor einer Hecke oder einem Haufen alter Zweige und Äste als Holzpolter aufgeschichtet waren. So hat man die Möglichkeit des verdeckten Anflugs für die Vögel mit der gleichmäßigen Fläche des unmittelbaren Hintergrunds einigermaßen kombiniert. Zusätzlich kann man die Fotomotive auf nahebei stehende Äste oder kleine Bäumchen locken, die als „Absprungbrett“ zur eigentlichen Futterstelle genutzt werden. Bietet man nun direkt unter diesem Ast Futter an, landen die Vögel oft auf dem Ast, bevor sie zu dem Futter hüpfen.
Wichtig ist insbesondere, vor Baubeginn einen Plan für die baulichen Voraussetzungen für das Versteck zu erarbeiten, damit alles Erforderliche beim späteren Aufbau beachtet wird. Wichtig ist, dass die Größe an das vorhandene Stativ und die einzusetzende Optik angepasst wird. Die Öffnung, durch welche fotografiert werden soll, muss ausreichend groß sein und auf der richtigen Höhe angebracht werden. Das Objektiv sollte später nicht zu sehr aus der Öffnung herausragen. Es hat sich schon als sinnvoll erwiesen, zwischen den Fototerminen eine dem Objektiv ähnliche Attrappe an der Fotoluke anbringen. Ein Abwasserrohr aus dem Baumarkt ist eine Idee.
Überhaupt sollte man einige Mühe auf die Auswahl geeigneter Sitzwarten verwenden. Umgedrehte Baumwurzeln mögen zwar einen wilden Eindruck bewirken, lassen aber schnell einen unnatürlichen Eindruck beim Betrachter aufkommen. Auch sichtbare – d.h. frische – Schnittflächen an Zweigen sollten vermieden werden. Die gefiederten Fotomotive immer auf unbelaubte, nackte Äste zu locken, wird schnell langweilig. Schöner wirken belaubte am besten bunte Zweige, die aber im Winter rar sind. Brombeerranken mit buntem Winterlaub oder Buchenzweige, an denen sich noch braunes Herbstlaub befindet, sind eine sinnvolle Ergänzung. Damit Kleinvögel geeignete Landemöglichkeiten haben, sollte ein Teil des aufragenden Zweiges frei von Blättern sein. Mit etwas Glück und Ausdauer kommt man dann zu guten Fotomöglichkeiten. Es lohnt sich im Verlauf des Winters nach neuen und interessanten Alternativen zu den Sitzwarten Ausschau zu halten und die Zweige von Zeit zu Zeit auszuwechseln. Wenn man immer wieder die gleichen Äste benutzt, sehen alle Bilder ähnlich aus.
Manche Arten haben ihre Vorlieben. Eichelhäher (Garrulus glandarius) kann man gut mit Fleischstückchen anlocken, die verdeckt hinter dem Baumstamm befestigt werden. Der Kernbeißer fliegt gerne tief angebrachte Äste an. Daher habe ich ihm eine Wurzel als Landeplatz angeboten. Da sich Amseln (Turdus merula) nur selten auf Äste setzen, kann man sie mit am Boden ausgelegten Äpfeln auf Fotodistanz anlocken. Ein altbekanntes Rezept ist, mit Erdnüssen in den Bohrlöchern an der Stammseite den Buntspecht (Dendrocopos major) an bestimmte Stellen bzw. fotogene Plätze zu locken. Manchmal sieht man an solchen Stellen auch den deutlich selteneren Kleinspecht (Dendrocopos minor). Bei drapierten Kiefern- und Fichtenzweigen sollten Kotspuren auf den Nadeln immer wieder entfernt werden. Zweige werden aber von vielen Kleinvögeln gerne angeflogen. Ein Stieglitz setzte sich im letzten Winter nur auf die angebrachten Zweige wenn die Futterschale voll mit anderen Vögel besetzt ist. Er beobachtet von dort den Andrang, um auf die Nahrungsaufnahme zu warten. Nicht nur die Nahrungsaufnahme ist am Futterplatz zu fotografieren. Im zeitigen Frühjahr kann man an der Futterstelle manchmal die ersten Paarungsversuche der Feldsperlinge (Passer montanus) fotografieren.
Während Singvögel Geräusche und leichte Bewegungen des Objektivs nach einigen Tagen akzeptieren, sind Greifvögel wie der Sperber (Accipiter nisus) wesentlich empfindlicher. Will man auch diese Arten vor das Versteck locken, ist eine ruhige Hand und insgesamt wenig Bewegung wichtig. Roter Milan (Milvus milvus), Mäusebussard (Buteo buteo) oder gar der Habicht (Accipiter gentilis) verzeihen weder unvorsichtige Schwenks mit der Kamera, noch sonstige für die Tiere sichtbare Bewegungen. Ob eine perfekte Tarnung mit Tarnnetzen und Ästen nötig ist, damit das Tarnzelt mit der Umgebung verschmilzt, darüber streiten sich noch die Gelehrten. Ich verzichte meistens darauf.
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