Canon EOS 1DX: Verhalten bei AF unmöglich

Canon EOS-1 D XNachdem ich vor einem guten halben Jahr einen Erfahrungsbericht zur Canon EOS 1DX geschrieben hatte, möchte ich kurz über ein interessantes Feature berichten, zu dem ich bisher noch nichts im Netz gefunden habe.

Vorangeschickt sei noch, daß ich weiterhin mit der Canon EOS 1 D X ebenso wie vorher mit der EOS 1 Mark IV sehr zufrieden bin. Vor allem bei Flugaufnahmen spielt die Canon EOS 1 D X ihre Vorzüge aus. Das war auch der Grund, warum ich mir damals die 1DX kurzer Hand als Vorführmodell eines Magazinfotografen gekauft hatte. Als Vogelfotograf habe ich mich auf das Ablichten von Vogelarten für wissenschaftliche Zwecke spezialisiert. Nach nun mehr als 13 Monaten in Gebrauch, Reisen nach Rumänien, Bulgarien, Slowakei, England (incl. Off-shore –Ausflüge) und nun insgesamt gut 129.000 Auslösungen möchte ich das Augenmerk auf das Verhalten des Autofokus legen, wenn relativ kleine Motive gegen einen kontrastarmen Hintergrund fotografiert werden.

Irgendwann hatte ich nämlich bei der Fotografie eines Kranichtrupps festgestellt, dass ich die zugegebenermaßen nicht formatfüllenden Motive immer wieder aus dem Fokus verliere und die EOS 1 DX z.B. das neue 600er (aber nicht nur dieses Objektiv!) auf die Naheinstellgrenze von 4,5 Metern stellt. Dabei blinkt die grüne Anzeige im Sucher und signalisiert, daß eine automatische Fokussierung nicht möglich ist. Ich meinte mich erinnern zu können, dass es „früher“ so war, dass der Autofokus – wenn er das Motiv nicht finden konnte – auf „Unendlich“ gestellt hat. Das habe ich bei meiner alten Mark IV auch so beobachten können. Der Unterschied bei der Fotografie einer im Singflug fliegenden Feldlerche ist gravierend. Während der Autofokus auf Unendlich das Motiv wenigstens ansatzweise noch als Silhouette zeigt und dann ohne Probleme scharfstellt, wenn man die AF-Points auf den Vogel zentriert, ist man bei Einstellung „Naheinstellgrenze“ total verloren. Da hilft nur,  einen HiIfspunkt am Horizont zu suchen und es noch mal probieren. Ich habe dieses Verhalten als sehr störend empfunden, denn – wie gesagt – bei der Mark IV ist es anders.

Zur Orientierung vielleicht eine kurze Darstellung der von mir verwendeten Einstellungen: Als Normaleinstellung hatte ich bisher den AF-Bereich mit den recht, links, darunter, darüber liegenden AF-Feldern eingestellt und 2 weitere Tasten belegt. Vorne mit Spot AF, die hintere AF-On-Taste mit der automatischen Wahl. Ich arbeitete mit allen 3 Tastenbelegungen. Eine Tastenbelegungskombination (normal: AF Feld mit den umliegenden AF-Feldern, hinten: Automatische Wahl der 61 AF-Felder) hilft vor allem bei Flugobjekten. Häufig nutze ich die reguläre Tastenbelegung für die Erfassung und greife mit dem Daumen auf die AF-ON- Taste um die „Automatische Wahl der 61 AF-Felder“ für die Flugverfolgung zu aktivieren. Das klappt bei größeren Flugobjekten ganz gut. Ansonsten habe ich bei die Einstellung an der EOS 1 DX: EOR iTR AF: Off (bei ON ist es genauso). Die Funktion „Schärfens. Wenn AF unmöglich“ steht auf: ON Ich habe nun festgestellt, dass dies suboptimal ist.

Mir hat dieses Verhalten keine Ruhe gelassen und ich habe sowohl mit CPS in Krefeld als auch mit Canon Deutschland in Willich Kontakt aufgenommen und etliche Stunden in toto telefoniert. Gestern hatte ich Gelegenheit direkt bei Canon Deutschland in Willich mit einem sehr sachverständigen und freundlichen Mitarbeiter das Thema auszutesten.

Es stellte sich, auch im Vergleich zu einer Werkstatt-EOS 1 D X, folgendes heraus: Das Verhalten des Autofokus ist signifikant abhängig von den AF-Bereichs-Auswahlmodi, wenn relativ kleine Motive gegen einen kontrastarmen Hintergrund fotografiert werden. Bei der Wahl von „Spot-AF“ und bei „Einzelfeld-AF“ wandert der Autofokus – wenn er das Motiv nicht finden kann – auf „Unendlich“. Damit ist das Objekt im AI Servo-Modus ruck zuck wieder eingefangen, wenn man die AF-Points auf den Vogel zentriert. Dagegen ist das Verhalten in den anderen Modi (AF-Messfelderweiterung auf 4 umliegende Punkte, auf 8 umliegende Punkte, Zonen-AF und Automatische Wahl 61 AF-Messfelder) ganz anders. Hier wandert der Autofokus auf die Naheinstellgrenze. Das war bei meiner Kamera und der Werkstattkamera gleich. In intensiven Versuchen konnten wir nun herausfinden, dass ein Abdecken der Sonnenblende mit der Hand in allen Auswahlmodi dazu führt, dass der Autofokus – da er nun gar nichts an Motiv finden kann – auf „Unendlich“ stellt. Ganz offensichtlich „meint“ der Autofokus bei der Fokussierung sowohl gegen einen bewölkten als auch einen unbewölkten Himmel in den anspruchsvolleren Modi (AF-Messfelderweiterung auf 4 umliegende Punkte, auf 8 umliegende Punkte, Zonen-AF und Automatische Wahl 61 AF-Messfelder) doch noch ETWAS zu finden, das sich aber (leider) im Nahbereich und nicht im Unendlichbereich abspielt.

Um die obigen Erkenntnisse zu gewinnen und jegliche anderen Einflüsse auszuschalten haben wir extra beide Kameras auf die Werkseinstellungen zurück gesetzt. Ergebnis: s.o. Ich werde also meine Einstellungen ändern müssen. Und zwar so, dass dann als Normaleinstellung mit dem Einzelfeld-AF gearbeitet wird und die 2 weiteren Tasten wie bisher belegt werden. Vorne mit Spot AF, die hintere AF-On-Taste mit der automatischen Wahl. Gerade letztere Tastenbelegungskombination mit „Automatische Wahl der 61 AF-Felder“ sollte bei der Verfolgung von Flugobjekten helfen. Dazu Muss man die reguläre Tastenbelegung für die Erst-Erfassung verwenden und dann auf die AF-ON- Taste drücken, um die „Automatische Wahl der 61 AF-Felder“ für die Flugverfolgung zu aktivieren.

Interessant war, dass eine ebenfalls zum Vergleich herangezogene Canon EOS 1DX einer Vorserie ein ganz anderes Verhalten an den Tag legte. Das Verhalten des Autofokus ist dort nicht abhängig von den AF-Bereichs-Auswahlmodi. Das heißt in allen Modi, vom „Spot-AF“ bis zur „Automatische Wahl 61 AF-Messfelder“ stellt der Autofokus bei kontrastarmen/-losen Motiven auf „Unendlich“. Das gleiche gilt übrigens für die Canon 1 Mark IV. Man sollte noch anmerken, dass die Einstellung an der EOS 1 DX zum EOR iTR AF keinen Einfluss auf das oben beschriebene Verhalten hat. In der Einstellung: Off  ist es genauso wie bei ON. Die Funktion: „Schärfens. Wenn AF unmöglich“ sollte man ebenfalls auch bei Teleobjektiven auf „ON“ stellen. Bei Einstellung: OFF Muss man wieder neu mit dem Fokussieren beginnen. Damit verliert man noch mehr Zeit.

Mein aktuelles Fazit: ich bin mit der Kamera immer noch sehr zufrieden. Mir wäre aber ehrlich gesagt doch lieber, wenn die „anspruchsvolleren“ AF-Bereichsmodi nicht gar so sensitiv ausgelegt wären und stattdessen wie der Einzelfeld-AF im Zweifel eher auf Unendlich als auf die Naheinstellgrenze fokussieren. Wie ich schon sagte, habe ich zu diesem interessanten Feature bisher noch nichts im Netz gefunden habe. Auch die Rückfrage bei verschiedenen renommierten Kollegen hatte nichts ergeben.

Trotzdem gilt weiterhin, dass die Canon EOS 1DX die perfekte Kamera für die Naturfotografie ist. Weiterhin möchte ich mich ausdrücklich für die kompetente und jederzeit hilfsbereite Beratung von Canon in Willich bedanken.

3 comments

  1. Danke für den sehr interessanten und aufschlussreichen Bericht!
    Eigentlich sollte man erwarten, dass das von Dir angesprochene Verhalten in allen AF-Modi gleich ist – zumal es das ja wohl auch in einem früheren Serienstand der 1DX war.
    Hat Canon eine Vermutung geäußert, warum das geändert wurde?

    1. Danke für den Kommentar. Canon meint, daß man eben auch weiterhin die Eigenschaften – und damit auch die Komplexität – des AF entwickelt. Vielleicht hat man doch vor lauter technischer Raffinesse das eigentliche Ziel aus den Augen verloren. Wobei die Hauptklientel sind Sportfotografen (zumindest für diese Kombi): die haben praktisch immer Struktur…….

  2. Danke Dir sehr, Johannes!
    Das beschreibt exakt das Auftreten des mich “störenden Verhaltens”. Auch war ich eben von meiner 1DsII das Weiterlaufen des Focus auf Unendlich gewohnt. Ich werde mich damit nochmals intensiver auseinandersetzen, sobald die Muße es erlaubt. Danke für Deine ausgesprochene Vorarbeit und Deine Hartnäckigkeit 😉
    Viele Grüße

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