Als holarktischer Brutvogel ist der Merlin (Falco columbarius) in ausreichender Zahl nur im Winterhalbjahr in Mitteleuropa anzutreffen. Vor allem im Oktober und bis Mitte November kommen dazu Durchzügler, die den kleinsten einheimischen Falken auch für ortsansässige Ornithologen erlebbar und beobachtbar machen.
In dem Zusammenhang soll erwähnt werden, daß die nähere und weitere Umgebung von Berlin auch ein Paradies für Vogelbeobachter ist. Einer dieser Gebiete um Berlin ist der Fiener Bruch bei Ziesar, der überraschend gute Vogelbeobachtungsmöglichkeiten bietet.
Der Fiener Bruch ist ein Naturschutzgebiet, das neben dem Havelländisches Luch zwischen den Städten Nauen und Rathenow für seine kleine Restpopulation der Großtrappe (Otis tarda) bekannt ist. Auch im Fiener Bruch können diese großen Steppenvögel von einem eigens dazu eingerichteten Beobachtungsturm beobachtet werden. Der Turm befindet sich am Rand der landwirtschaftlichen Flächen, in denen die Trappen leben. Großtrappen sind eine der besonderen Vögel des Landes Brandenburg. Brandenburg beherbergt die einzigen Brutpopulationen der Großtrappe in Deutschland. Die Vögel nutzen das Gebiet in verschiedenen, manchmal jährlich wechselnden Intensität als Zucht- oder Winterquartier. Vereinbarungen mit den ortsansässigen Landwirten gewährleisten geeignete Strukturen, um das Überleben dieser schwersten fliegenden Vögel der Welt zu ermöglichen. Wichtig ist dabei eine geringe Nutzungsintensität der Wiesen und Feldern und die Abgelegenheit der Landschaft, die inmitten eines gering besiedelten Gebietes liegt. Eine lockere und abwechslungsreiche Vegetationsstruktur sorgt dafür, dass nicht nur die ehemaligen Steppenvögel viele unterschiedliche Futter- und Rastflächen finden. Auch für andere Vogelarten der offenen Feldflur sind die Wiesen, Äcker und Feldern ein hochwillkommenes Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet.
Am Morgen hatte ich bei teilweise dicken Wolken im Havelländisches Luch zwischen den Städten Nauen und Rathenow nach Großtrappen Ausschau gehalten. Nun wollte ich dem Fiener Bruch einen Besuch abstatten. Nachdem die Wolkendecke aufgerissen war und Lücken in den Wolken auftaten, konnte die Sonne durchscheinen. Der Fiener Bruch befindet sich etwas nördlich der A2 bei der Stadt Ziesar gut 100 km westlich des Hauptbahnhofs von Berlin. Nicht nur der oben beschriebene Aussichtsturm sondern auch die teils betonierten Fahrwege mitten durch das Gebiet bieten dem Beobachter eine hervorragende Möglichkeit, die Vogelwelt unmittelbar mitzuerleben. Dies gilt vor allem, wenn die Feldwege über einen erhöhten Damm führen. Nun – Ende Oktober – ist die Zugzeit für Limikolen schon vorbei und die Wiesen und Felder werden zunehmend von Gänsen, Greifen und Kranichen bevölkert. Das Erlebnis wollte ich mir nicht entgehen lassen. Auf Anhieb fielen die zahlreichen (sicher mehr als 100) Kraniche (Grus grus) auf. Dicht gedrängt rasteten sie auf einem offensichtlich seicht überschwemmten Wiesenteil. Ein kreisender Seeadler (Haliaeetus albicilla) sorgte zwar bei einigen Gänsetrupps für Aufregung. Die Kraniche jedoch blieben ruhig stehen. Neben den Kranichen waren vor allem die vielen auf den Wiesen jagenden Silberreiher (Ardea alba) auffallend. Ein paar Graureiher (Ardea cinerea) standen abseits. An einem der vielen das Gebiet durchziehenden Gräben war sehr schön ein – recht spätes – Schwarzkehlchen (europ.) (Saxicola rubicola) im Jugendkleid zu entdecken.
Auch die Greife war zahlreich vertreten. Neben einem Roten Milan (Milvus milvus) waren insbesondere einige Kornweihen (Circus cyaneus) auf den Wiesen im wilden Zickzackkurs jagend zu sehen. Mäusebussarde (Buteo buteo) standen überall auf den Feldern. Als ich einen matschigen Wirtschaftsweg hinein fuhr, flog auf einmal ein unauffällig braun gefärbter Vogel direkt am Wegesrand von einer Scholle auf. Das war also endlich der Merlin (Falco columbarius), nachdem ich schon an anderen Plätzen vergeblich Ausschau gehalten hatte.
Wie sich herausstellte, war es ein Weibchen. Nachdem ihn das heranfahrende Auto von seinem niedrigen Ansitz verjagt hatte, flog er aber nicht weit und ließ sich wenig später aus dem Wagen auf einer weiteren Ackerscholle ablichten.
Schließlich verschwand das Merlin-Weibchen in die Mitte der oberflächlich gepflügten Ackerfläche und blieb dort bis in die späten Nachmittagsstunden sitzen. Die zahlreich vertretenden Kiebitze (Vanellus vanellus) hatten von dem Merlin wohl nichts zu befürchten. Einmal war jedoch ein eleganter Angriffsflug auf einen Starentrupp (Sturnus vulgaris) zu beobachten. Der Merlin bevorzugt in seinem Brutgebiet im Norden die Taiga, die durch Birken und Weiden geprägt ist. Weiterhin werden offene Küsten- und Heidelandschaften im Norden besiedelt. Als kleinster Greifvogel Europas ist der Merlin auf die Erbeutung von Singvögeln bis zur Drosselgröße spezialisiert, was er ja bei den Staren eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Dabei fegte der Merlin in einer Kombination aus Sperber- und Wanderfalkenmanier dicht über den Boden hinweg und überrascht dort Kleinvögel entweder im Auffliegen oder noch am Boden.
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