Die Waldsänger (Parulidae) in ihrer Heimat in Nordamerika zu beobachten war das Ziel des Trips. Dazu bot es sich an, eine günstige Stelle für den herbstlichen Zug aufzusuchen, um eine maximal mögliche Zahl von Individueen und Arten – vom Gelbscheitel-Waldsänger (Dendroica pensylvanica) bis zum Kletterwaldsänger (Mniotilta varia) – sehen zu können. Die Galerie der Waldsänger zeigt die Ergebnisse.
Nebel herrscht am frühen Morgen. Darüber strahlen aber die Sterne um die Wette. Ein traumhafter Frühherbstmorgen kündigt sich an. In der Nacht hat es Temperaturen um 0° Grad gegeben. Als ich aus der Cabin in Little Switzerland auf den Blue Ridge Mountains trat, hatte ich anfangs den Eindruck, es regnet. Es ist aber nur der Nebel der sich in Tropfen materialisiert. Es sind ca. 22km vom Örtchen Little Switzerland in südlicher Richtung zum Aussichtspunkt auf dem Blue Ridge Mountain Highway. Im ersten Büchsenlicht – um 6:45 – erreiche ich den Ridge Junction Overlook. Wenig später bekomme ich Besuch. Damit hätte ich nicht gerechnet, aber das hier ist wohl wirklich der absolute Birdertreff im September. Es kommen immer mehr Autos und schließlich sind es sicher gut 1 Dutzend Birdwatcher, die sich alle dieses für mich einmalige, aber jährlich wiederkehrende, Ereignis nicht entgehen lassen wollen. Dicke Wolken hängen anfangs noch im Tal. Es fängt anständig an zu winden. Der Vorteil ist, daß damit die Nebelwolken weggeblasen werden. So kommt dann auch bald schön die Sonne heraus. Wie mir jetzt klar wird, stehen wir mitten im Gap zwischen den Black Mountains. Die ziehenden Vögel werden praktisch in einen Sattel hinein gezogen.
Im ersten Licht kann ich schon mal eine Falkennachtschwalbe (Chordeiles minor) sehen. Wunderschön sind die weißen Abzeichen auf den Handflügeln zu erkennen. Ich befürchte schon, daß die Zugvögel sich durch den Wind abhalten lassen werden. Immer wieder fliegen kleine Trupps vor dem immer noch dämmrigen und leicht nebligen Himmel als dunkle Silhouetten über uns hinweg. Schade, die hätte ich gerne näher gesehen. Aber es ist einfach noch zu schummrig. Plötzlich ist da ein hell-blauer Vogel zu sehen, der ganz offensichtlich Wingbars hat. Das muß doch ein Männchen vom Pappelwaldsänger (Dendroica cerulea), sein. Schade, leider nur im Flug zu sehen. Der erste dann wirklich identifizierte Warbler ist dann ein Fichtenwaldsänger (Dendroica fusca). Jetzt geht es richtig los. In schneller Folge ist dann ein Männchen vom Blaurücken-Waldsänger (Dendroica caerulescens) zu sehen. Auch Grünwaldsänger (Dendroica virens) sind immer wieder hoch in den Bäumen zu sehen. Die anderen Birder verschwinden zusehends in den Windschatten des Gebirges. Dazu muß man entlang der Straße zum Gipfel des Mount Mitchell laufen. Das scheint recht ergiebig zu sein, denn sie kommen gar nicht wieder. Da muß ich auch hin. Und was ich sehe, verschlägt mir glatt den Atem. Wow, Warbler über Warbler. Das ist noch besser als damals die Waldsänger in Mexiko in einem Kiefern-/Eichenbergwald. Überall piept und raschelt es. Dann ist ein Birder Paradies. So sind schnell Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla), Gelbscheitel-Waldsänger (Dendroica pensylvanica), Grünwaldsänger, Pieperwaldsänger (Seiurus aurocapillus), Magnolienwaldsänger (Dendroica magnolia), Fichtenwaldsänger (Dendroica fusca), Mönchswaldsänger (Wilsonia pusilla), Brauenwaldsänger (Vermivora peregrina), Kletterwaldsänger (Mniotilta varia), Kapuzenwaldsänger (Wilsonia citrina) und Blaurücken-Waldsänger zu beobachten. Auch Spechte sind zugegen. Ein Haarspecht (Picoides villosus) ist zu hören. Einer der Birder meldet auch einen Tigerwaldsänger (Dendroica tigrina), den ich heute leider vor die Linse bekomme. Zum Glück stelle ich beim Prüfen meiner Bilder fest, daß ich den Vogel am Elk Knob State Park fotografieren konnte. Wow, das ist ein Morgen. So intensiv, so viel, so reichhaltig. Das bei einem super Morgenwetter. Im Windschatten des Berges läßt es sich wirklich aushalten – nicht nur für die Vögel. Ich laufe die Straße wieder herunter zum Gap zurück. Da ist es immer noch ziemlich windig. Ein Kolkrabe (Corvus corax) fliegt am Bergkamm entlang und ruft lautstark. Zum Abschluß singt noch die scheue Wilsondrossel (Catharus fuscescens) aus einem dichten Fichtenbestand direkt vor mir. Ich klettere noch einen steilen Hang hinunter, um auch diesen unauffälligen Sänger ablichten zu können.
Trotz eines Körpergewichts von nicht viel mehr als 10 Gramm sind Waldsänger beindruckende Langstreckenzugvögel. Im Herbst fliegen die kleinen Singvögel auf dem Weg in ihr Winterquartier von Nord- nach Mittel- oder Südamerika in nur wenigen Tagen. Sie legen dabei zum Teil eine Strecke von manchmal mehr als 2500 Kilometern zurück.
Um die wachsende Nachfrage nach Top- Aufnahmen der selteneren Arten der Paläarktis zu bewältigen, ist Bird-lens.com bestrebt, das Spektrum der Bilder von Vögeln der Westpaläarktis weiter auszubauen. Trips zu abgelegenen Orten, um Bilder von seltenen Vögeln der Westpaläarktis zu machen, waren sehr erfolgreich. Ebenso bringen Ausflüge in die nähere Umgebung immer wieder schöne Eindrücke und manch seltene Beobachtung, die – wenn es gut läuft – auch mit Fotos gekrönt werden kann. Die schönen Bilder in der Waldsänger – Galerie sind nur Beispiele aus einer ganzen Reihe von Aufnahmen aus dem frühherbstlichen North Carolina. Das Bild ist daher nur ein erster Eindruck, was Sie in der Galerie im “Picture-Shop” sehr bald finden können. Hinterlassen Sie doch einfach eine Nachricht, wenn bird-lens.com mit einem Bild dienen kann.