Nur eine kleine Stechmücke leistet mir Gesellschaft. Vor mir sind nur die kehligen Kontaktrufe der Rosapelikane (Pelcanus crispus) direkt vor meinem dunklen Tarnzelt zu hören. Gerade mal die ersten Lichter der Morgendämmerung sind am Horizont zwischen Objektiv und Zeltluke zu sehen. In den unzugänglichen Schilfgebieten des Donaudeltas nisten die Rosapelikane in großen Kolonien und lassen sich dabei immer wieder in spektakulären Aktionen – u.a. auch Flugaufnahmen – ablichten. Sie bauen dort grobe Plattformen aus zusammengetragenen Zweigen, Röhricht und Schilf. Ihre Nester befinden sich in Europa ausschließlich am Boden, jedoch immer in Wassernähe. Meistens werden zwei kalkweiße Eier gelegt. Die Eltern wechseln sich beim Brüten ab. Während der Brutzeit müssen die Altvögel täglich zwischen zehn und fünfzig Kilometern zurücklegen, um genug Fisch für sich und die Jungen zu fangen.
Der frischgeschlüpfte Pelikan hat noch keine Federn, ist blind und hilflos. Anfangs tröpfeln die Eltern vorverdauten Fisch in den geöffneten Schnabel des Jungvogels. Nach einer Woche ist er kräftig genug, um sich die Nahrung aus dem Schlund der Eltern zu holen.
Ins Tarnversteck mußte ich mich begeben, um das interessante Brutverhalten der Rosapelikane fotografieren zu können. Dazu ist zuerst eine Genehmigung der Nationalparkverwaltung erforderlich. Mit dieser Genehmigung konnte ich am Rande der Kolonie in einem unwegsamen Schilfgebiet mit Hilfe eines Rangers mein Tarnversteck aufbauen. Am zeitigen Morgen, noch bevor die Sonne aufging war ich in dem Zelt. Von dort aus konnte ich die Pelikane fotografieren ohne sie zu stören. Eine Stunde nach Sonnenuntergang wurde ich dann vom Ranger aus meinem Versteck wieder abgeholt.
Die Entfernung zu den Pelikanen betrug zwischen 15 und 30 Meter. Es mußten also auch lange Brennweiten eingesetzt werden. Ich fotografierte an meiner EOS 5 D Mark III (immer im Silent Modus) und mit meiner EOS 1 DX (ebenfalls im Silent Modus) mit dem Canon EF 4,0/600 und dem lichtstärkeren Sigma 2,8/70-300 Zoom. Dabei eröffnen gerade Tele-Zoomobjektive interessante Möglichkeiten, ein Tier von einem Standort aus unterschiedlich abzulichten. Durch den engeren Bildwinkel der langen Brennweiten läßt sich der Hintergrund sehr gut eliminieren – ein angenehmer Effekt, wenn man wie hier in Vogelkolonien arbeitet. Wenn man Glück hat, kommt auch mal ein junger Nachtreiher (Nycticorax nycticorcax) auf Nahrungssuche ganz nah am Zelt vorbei.
Sowohl das Canon EF 4,0/600 als auch das Sigma 2,8/70-300 Zoom setzte ich auf ein solides Stativ. Da mein Versteck auf einer schwimmenden Schilfinsel stand, legte ich Holzbretter und Styroporplatten unter die Fixpunkte meines Stativs, um ein Einsinken des Stativs im Schilf zu verhindern und zusätzliche Stabilität zu erreichen.
Meine Hauptarbeitszeit waren die ersten Morgenstunden sowie die letzten Stunden am Abend. Dann sorgt das Licht für eine besonders stimmungsvolle und dramatische Atmosphäre mit warmen Farben.
Die Donau, der zweitgrößte Strom Europas, entspringt im Schwarzwald. Vom Quell- bis zum Mündungsgebiet in Rumänien durchfließt sie zehn europäische Staaten und legt eine Strecke von rund 3.000 Kilometern zurück. Im Mündungsgebiet am Schwarzen Meer ist die Strömung so schwach, daß sich gewaltige Sedimente ablagern und im Laufe der Jahrhunderte ein gewaltiges Netz von Seitenarmen entstand.
Immer wieder verzweigen sich die Wasserläufe wie an der Wolga, bis die Donau schließlich über drei Hauptarme ins Schwarze Meer strömt. Dieses 4.000 Quadratkilometer große blühende Labyrinth aus Schilfzonen, Dünen, abgeschnürten Flußschlingen, Altarmen und Urwäldern schiebt sich immer weiter in das Schwarze Meer hinein. Das mit Schwanenblumen und Seerosen geschmückte Donaudelta ist auch floristisch eines der schönsten und reichsten Feuchtbiotope der Welt. Das Mündungsgebiet des Donaudeltas bietet über 300 Vogelarten Brut-, Nahrungs- und Rastplätze.
Frühjahr, Spätsommer und Herbst sind die besten Jahreszeiten für einen Besuch des Donaudeltas. Interessiert man sich vor allem für den Vogelzug, ist der April und der September zu empfehlen. Für botanisch Interessierte ist der Mai der beste Monat. Pflanzenarten wie Krebsschere, Weiße Seerose, Gelbe Teichrose und Wasser- Schwertlilie sind dann sehr zahl-reich im Delta vertreten. Ab Ende Juni wird es meist heiß. Auch nehmen dann die Stechmücken praktisch täglich zu. Die Einreise nach Rumänien ist seit dem EU-Beitritt des Landes ganz einfach ohne ein Visum möglich.
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